Superpaper Januar 2020

 

Wir schreiben den 16.08.2092
Er stand bewegungslos im Raum – in einem leeren Raum – unter ihm ein Boden aus Carbonbeton auf dem eine alte Matte aus Bambus ausgerollt war. Seine Hände waren vor ihm ausgestreckt, seine Augen geschlossen. Man konnte ihm deutlich beim Atmen zuhören. Er atmete ein und wieder aus.. ganz gleichmäßig.. ein und wieder aus.

Plötzlich stockte er und öffnete die Augen, während er ein letztes mal langsam ausatmete und sich wieder im Hier und Jetzt sammelte, das er, wenn auch nur mental, für eine kurze Zeit verlassen hatte. Ein Gedanke hatte ihn aus der Bahn geworfen.. Ein unvorhergesehenes Synapsenzucken, dem er nun folgen wollte.

Er musste sich konzentrieren es nicht zu verlieren. Er ging in den Nebenraum, der hell illuminiert und nahezu decken- und wandlos schien – vom Wind vor der Tür war allerdings  kein Lüftchen zu spüren. Der Holoraum, der ihm als Atelier und Kreativraum diente, konnte binnen weniger Einstellungen im Interface so gestaltet werden, wie er es gern hätte und seinem aktuellen Gemütszustand zuträglich war.

Seine letzten, wenigen Freunde schoben seine ständig wechselnden Launen auf die Tatsache eben dieser Möglichkeit. Es schien immer etwas kindlich aufmüpfiges an ihm zu sein, wenn er außerhalb seines vertrauten Hauses war und seine Umgebung nicht seiner wechselnden Launen anpassen konnte…wenn er nicht die Sonne scheinen oder tiefschwarze Wolken in rasender Geschwindigkeit an ihm vorbei ziehen lassen konnte. Er stellte sich, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, an eine Wand und schaute in dieses Draußen, dass er so selten noch betrat.

Das Holoraum zeigte tatsächlich dieses “Draußen”, nur in etwas schöneren und volleren  Farben. So konnte er sich fühlen als wäre er ein Teil davon, stand aber dennoch sicher hinter einer Wand. Er sah zu wie hin und wieder eine kleine Welle über den Rasen seiner kleinen Insel schwappte, die auf fest verbundenem Plastikmüll mit Polyurethanschaumbeschichtung als vorgelagerte Insel der Mayflower scheinbar losgelöst im Meer schwamm. Man merkte den Wellengang kaum. Ganz sanft war das Rauschen des Meeres zu vernehmen, als er leise anfing ein Lied zu pfeifen…

— “Fuck” — der Gedanke war weg. 

Seine Küche glich einem in sich harmonierenden Selbstversorger-Garten. Über dem Boden wuchsen verschiedene Algenarten. In einem kleinen, in den Boden eingelassenen Becken aus Glas schwammen Fische – am Rand des Wasser in etwas trockeneren Gefilden unter einer Gloche flitzten Wüsten-Garnelen hin und her und versuchten sich vor dem Licht zu verstecken. Etwa hüfthoch wuchsen Galgant, Ingwer, Kurkuma und Wasserspinat aus einem mit Tonscherben gefüllten Gefäß durch das Wasser rann, wie ein seichter Fluss.

In einem Hängeschrank wuchsen Kräuter und Beeren unter weißem und rotem Licht und in verschiedenen mit Erde gefüllten Holzkisten trieben Kartoffeln, Beeten, Topinambur und Karotten oder waren schon für die Ernte bereit. Eine Selbstversorger Küche. Nur einmal in der Woche kam eine Drohne und brachte ihm Lebensmittel, die er nicht selbst anbauen konnte – aber das waren die Wenigsten.

Er packte sich seinen Kescher, holte einen Fisch aus dem Becken und hielt ihn fest in seiner Hand, während er noch zappelte und versuchte aus dem Griff zu entfliehen. Er ging zum Waschbecken, schlug ihm zweimal in geübter Präzision mit einer kleinen Metallstange auf den Kopf, schnitt den Bauch auf, entfernte die Innereien und spülte ihn aus. Im Anschluss filetierte er ihn und marinierte ihn mit einer Würzpaste aus Passepierre, Ingwer und Galgant. Mit einem Pulver aus Sonnenprotein – gewonnen aus Luft, Wasser, Strom, etwas Algenpulver und einem Schluck filtriertem Meerwasser – machte er sich einen Suncake.

Während er aß, stellte er den acusticShield aus und lauschte den stärker werdenden Wellen, während er wieder hinaus schaute in Richtung noch brennend heißer Sonne, die allmählich verschwand, in den dunklen tiefen des Meeres und langsam aber sicher einem tosendem Sturm platz machte, der sich am anderen Ende des Horizontes bereits zusammenbraute. 

So wie jeden Abend.

 

Rezept

Gesalzener Tilapia / Suncake / Wasserspinat

Für den Fisch

Zutaten:

  • 120 g Tilapiafilet
  • 40 g Passepierre
  • 3 g Ingwer
  • 2 g Galgant

Zubereitung:

  • Das Filet enthäuten und in fingerbreite Streifen schneiden
  • Passepierre, den Ingwer und den Galgant in einem Mörser fein zermalen und den Fisch damit glasig marinieren

Für den Suncake

Zutaten:

  • 40 g Solar-Protein-Pulver
  • 5 g Algenpulver
  • 110 ml filtriertes und pasteurisiertes Meerwasser
  • 1 Ei
  • Pflanzenbratöl
  • 1 Hand voll Wasserspinat

Zubereitung:

  • Das Meerwasser mit Solar-Protein-Pulver und Algenpulver glatt rühren 
  • Das Ei dazugeben und alles miteinander verrühren 
  • In einer beschichteten Pfanne mit etwas Öl ausbacken.

 

  • Den Wasserspinat waschen und auf dem Pancake anrichten
  • Den marinierten Fisch mit der Marinade auf Spinat und Pancake verteilen.

 

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