
Ein Drittel der Gastronomien steht derzeit vor der Insolvenz, prophezeit die DEHOGA aktuell. Wenn dem so ist, haben in Städten wie München, Berlin und Hamburg nicht nur die Gastronomen existenzielle Probleme. Nein, auch die Konsumenten stehen vor einem bildhaft gewordenen Scherbenhaufen – denn wo sollen sie alle hin zum essen, die Foodies und Geschäftsleute, Kochbanausen und erste Dates? Oder auch sonst alle, die gerne essen gehen?
Selber kochen? So sehr ich den aktuellen Trend des “DIY-Food” auch schätze und willkommen heiße, werden wir, zurück in alte Muster, eine Welle von ungewollten Massenmorden erleben – tausende von SCOBY´s und Sauerteigkulturen, Essigmuttern und Kefirkristallen werden verwahrlost und vergessen von ihren einstigen Behütern in den Gläsern der Wohnungen ihren traurigen Alltag fristen, bis sie jämmerlich eingehen und entsorgt werden müssen.
Niemand, und dabei möchte ich weniger zynisch als realistisch klingen, wird sich soviel Zeit für seine Nahrungsaufnahme und der Zubereitung von Speisen nehmen, wie zu Zeiten der Krise. So sehr ich es mir wünschen würde, müssen wir der Realität ins Auge blicken und erkennen, dass sich der bequeme ZivilisationsMensch und das aktuell vorherrschende Wachstums- & Konsum-System einander bedingen und unter Umständen sogar wieder mehr anfachen werden, als vor der Krise — wobei ich hoffe, mich an dieser Stelle zu irren.
Aber zurück zum Thema: Wohin zum Essen, wenn der Lieblings-Franzose, der Ramen-Laden, der Vietnamese und das Vegan-Café nach der Corona-Krise nicht wie gewohnt wieder öffnen? Einige werden jetzt sagen, Gastronomien kommen – Gastronomien gehen – und ich würde unter normalen Umständen auch beipflichten, allerdings ist hier aktuell nichts “normal” und viele Gastronomen, die sich was zurückgelegt haben, um sich ihren Traum eines eigenen Restaurants zu erfüllen, leben aktuell von eben diesen Ersparnissen, da Kurzarbeitergeld Trinkgeld nicht mit einschließt. Des Weiteren ist die Gastronomie nicht zwingend ein Gewerbe, in das Banken oder Investoren offenherzig hinein investieren und somit mit “frischem Kapital” die leeren Restaurants und Kneipen schnell wieder mit Leben gefüllt werden könnten..
Also doch daheim kochen? Wer die Wohnungen vieler junger Großstädter kennt, wird schnell feststellen müssen: für 10 Personen an einem Tisch ist vielleicht gerade so und mit viel Phantasie Platz, aber in einer 2m² großen Küche ein vernünftiges Essen zu zaubern – für 10 Personen? – ist selbst für geübte Profis nahezu ein Ding der Unmöglichkeit.
Also wohin und wie händeln?
Vielleicht doch irgendwie zuhause bleiben und sich etwas liefern lassen? Oder in Locations einmieten und becatern lassen?
Eine private Köchin / Koch kommen lassen, die den Großteil schon fertig produziert hat und weiß, wie man auf kleinstem Raum effizient arbeitet?
Wie sich die Gastronomie, wie wir sie heute, vor allem aus Städten kennen, einst aus den Unruhen der Französischen Revolution entwickelte, als sich plötzlich hunderte Köche der nun kopflosen Adligen ohne Anstellung wiederfanden und ihre Kochkünste in öffentlich zugänglichen Häusern feil boten, ist es vielleicht jetzt an der Zeit, die Gastronomie und ihre zugehörigen Akteure in einen neuen Zusammenhang zwischen professionellen Gastgebern und Konsumenten zu bringen – und somit auch Interaktion, Austausch und Wertschätzung für Dienstleistungen und Produkte auf ein nie gekanntes Level zu bringen.
Private Dining und Supperclubs könnten ein Revival feiern und sich manifestieren in einer neu gelebten und erlebten Esskultur.