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Die Gastronomie als letzte Bastion der Geselligkeit und des menschlichen Miteinanders in einer völlig automatisierten und digitalen Welt – das Zünglein an der Waage zum Humanen, sozusagen. Oder um es mit den Worten René Redzepis zu sagen: “Essen wird über lange Sicht das sein, was uns im Zeitalter der immer schnelleren Digitalisierung noch mit der analogen Welt verbindet.”

Gerade stellt sich für viele Gastronomen, neben der Frage der Wirtschaftlichkeit, auch eine wesentlich existenziellere: Sind Wir systemrelevant? — 

Uns wurde in den letzten Wochen die Systemrelevanz abgesprochen – ebenso allen Kultur- und Kunstschaffenden. Während viele andere Branchen langsam wieder hochfahren, dürfen Gastronomie und Hotellerie nun auch endlich unter strengen Einschränkungen wiedereröffnen, die jedoch genau das, was ein Restaurant tatsächlich ausmacht – Atmosphäre und Gastlichkeit – völlig in den Hintergrund rücken lässt. Also “JA!” – wenn wir so arbeiten müssen, wie vorgeschrieben, stelle auch ich unsere Systemrelevanz in Frage, da wir schlichtweg nicht unsere Arbeit machen können – denn sie ist weitaus mehr als Essen kochen und Bierzapfen. Wir schaffen Geselligkeit und Atmosphäre, wir schaffen Leben, wir schaffen neue Welten und sind nicht zuletzt auch Zufluchtsorte in vergangene Zeiten. Wir können Geschichtsunterricht sein, aber auch Wegweiser in die Zukunft – Spielwiese und Sehnsuchtsort, Zufluchtsort für Gestrandete und Vergessene. Wir sind relevant – relevant in einem System, das sich abhebt von Wirtschaftlichkeit und reinem Rendite-Denken. Vielleicht arbeiten wir deshalb so hart und für so einen geringen Stundenlohn, weil wir unseren Lohn nicht nur daraus beziehen, was in unseren Taschen ist, sondern am Ende des Tages, wie der Künstler auf einen Abend schauen kann, an dem er für viele Menschen – und das passiert so weltweit – aus einem ganz normalen Tag, etwas Besonderes hat werden lassen.

Relevanz für gastronomische Einrichtungen zeigt sich mir dieser Tage ganz deutlich, wenn ich durch Münchens Viertel laufe.. die Gasträume und Terrassen werden von den “Gästen” schlichtweg auf die Straße verlegt – aber die Atmosphäre und das Miteinander ist doch ein anderes – ganz zu schweigen von dem ganzen Müll, der jetzt die Straßen “dekoriert” – und wo verrichtet man eigentlich sein Geschäft?

Diese Frage muss wohl dann doch die Kommunalpolitik klären oder zumindest das Ordnungsamt. Die Frage, die sich mir persönlich nun anschließt, geht über Systemrelevanz und Corona weit hinaus, sitzt tiefer und ist schon lange ein Problem der gesamten Branche. Uns fehlt eine gemeinsame Zukunftsvision. Wie wollen wir weitermachen, wenn wir aus diesem Tal wieder herausgekommen sind? Wie wollen wir unsere Systemrelevanz verteidigen, wenn uns die Menschen ausgehen, die Uns gerade ausmachen. Wenn wir es nicht schaffen für nachkommende Generationen relevant zu sein, die einen anderen Fokus auf die Gesellschaft, Arbeitswelten und Work-Life-Balance haben. Woran müssen wir heute arbeiten, um morgen noch unseren Job lieben und machen zu können? Braucht es einen systemischen Wandel? Wollen wir weiter nur die Löcher flicken? Wo fängt man an, wo hört man auf. 

Zu diesem und vielen weiteren Themen mache ich mir gerade ernsthaft Gedanken, da ich zu viele Menschen beobachte, die den Fokus darauf haben, alles so zu erhalten, wie es war – oder es wieder dahin zurück zu führen. Aber das “Morgen” ist nicht eine optimierte Gegenwart, es ist auch immer eine Negation des Jetzt und eine Kritik an den gegenwärtigen Handlungen – um mit den Worten von Byung-Chul-Han zusprechen. Dieser Kritik müssen wir uns stellen, denn sie ist unüberhörbar und direkt an uns adressiert!

Also wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, meine Euphorie des ersten Teils dieses Textes teilen und sich im zweiten Teil ebenso wiederfinden, bitte ich sie darum, folgenden Fragebogen auszufüllen, den ich gemeinschaftlich mit Lukas Dillinger ausgearbeitet habe, um Ideen, Branchenherausforderungen und Lösungsansätze zu sammeln und sie an die richtigen Stellen zu adressieren.

Hier geht es zum Fragebogen!

Vielen Dank für Ihre Zeit.

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